RoHS Ausnahmeregelung 6c endet: Was Sie jetzt beachten sollten (2024)

Bleifrei ist nicht gleich bleifrei RoHS Ausnahmeregelung 6c endet: Was Sie jetzt beachten sollten

Von Achim Engel *

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Heitec AG

RoHS: Einige Ausnahmen zur Verwendung von Blei in Kupferlegierungen könnten dieses Jahr auslaufen. Hersteller sollten sich bereits jetzt mit zukunftssicheren Alternativen befassen. Der Artikel gibt einen Überblick zum Stand der Technik und den künftigen Möglichkeiten.

Durch Verordnungen zu Stoffverboten und Chemikalienverboten wie RoHS und REACH ist die Verwendung von Blei in vielen Bereichen längst verboten oder fordert einen erhöhten Kommunikationsaufwand. Aktuell gibt es noch Ausnahmen. Diese laufen jedoch dieses Jahr aus.

Statt auf eine Verlängerung der Ausnahmen zu setzen, sollten Entwickler in Unternehmen bereits jetzt zukunftssichere Alternativen suchen. Erste bleifreie Komponenten sind verfügbar. Eines der Unternehmen, die hier vorangehen, ist Würth Elektronik ICS.

Der Anbieter und Hersteller von Systemlösungen und Komponenten zur Übertragung von hohen Strömen auf der Leiterplatte punktet vor allem mit Lösungen im Bereich Automotive, behauptet sich aber auch in anderen Branchen wie beispielsweise bei erneuerbaren Energien.

Leiterplattenkontakte für Hochstromanschlüsse

Bei diesen Zielmärkten ist klar, dass Verbindungen wie „Wire to Board“ und „Board to Board“ möglichst robust und vibrationsbeständig sein müssen. Das Unternehmen hat mit den Power-Elementen Kontakte für Hochstromanschlüsse bis 1000 A an Leiterplatten entwickelt, die durch die Einpresstechnik besonders gute mechanische und elektrische Eigenschaften bieten.

Sie zeigen aufgrund des gegenüber der Löttechnik geringeren Übergangswiderstands zwischen Pin und Leiterplatte ebenfalls ein gutes thermisches Verhalten bei hohen Strömen.

Zerspanungsmessing: Bringt RoHS das Aus?

Bei der Herstellung von Power-Elementen war das bleihaltige Zerspanungsmessing CuZn39Pb3 für Würth Elektronik ICS lange Zeit das Material der Wahl. Blei als Nebenbestandteil von ca. 3% sorgt für einen guten Spanbruch und eine leichte Schmierung. Dadurch reduziert sich die Reibung, was eine geringere Wärmeentwicklung im Zerspanungsprozess zur Folge hat.

Die Verwendung von Kupferlegierungen mit einem Massenanteil bis 4% Blei ist aufgrund der bestehenden Ausnahmeregelung 6c in Anhang III der RoHS-Richtlinie bis dato noch möglich.

Aber diese und weitere Ausnahmen enden nach heutigem Stand am 21. Juli 2021. Nach Ende einer Übergangsfrist dürfen in Europa keine Elektro- und Elektronikgeräte mehr verkauft werden, welche die Grenze von 0,1% Bleianteil in Werkstoffen überschreiten.

Hintergrund: Bleiverbote in den Richtlinien

RoHS (Restriction of Hazardous Substances): Ziel der EU-RoHS-Richtlinie 2011/65/EU ist es, die Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten zu begrenzen und so den Eintrag dieser Substanzen in die Umwelt zu minimieren. RoHS dient weltweit zur Orientierung für die jeweiligen regionalen Verordnungen. Blei hat als ein Stoff, der RoHS-Beschränkungen unterliegt, eine definierte zulässige maximale Höchstkonzentration in hom*ogenen Werkstoffen von 0,1 Gew.-% Über die bestehende Ausnahmeregelung 6c sind „Kupferlegierung mit einem Massenanteil von bis zu 4 % Blei“ zulässig. Diese Ausnahmeregelung läuft formell zum 21. Juli 2021 aus.
REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals): EG Nr. 1907/2006 regelt das Herstellen, das Inverkehrbringen und die Verwendung chemischer Stoffe und daraus hergestellter Gemische. 2018 wurde Blei auf die Liste besonders besorgniserregender Stoffe (SVHS-Liste: Substance of Very High Concern) gesetzt. Gemäß Artikel 33 der REACH-Verordnung folgt daraus eine Informationspflicht entlang der Lieferkette. Wenn Halbzeuge oder andere Erzeugnisse aus Kupferlegierungen gefertigt wurden, die mehr als 0,1 % Blei enthalten, ist bei Lieferung darauf hinzuweisen.
ELV (End of Life Vehicles) „Altautorichtlinie“: Die Richtlinie 2000/53/EG regelt die stoffliche Verwertung von Kraftfahrzeugen durch Recycling innerhalb der Europäischen Union. Auch hier gilt für Blei der Grenzwert von max. 0,1 %. Für Kupferlegierungen wurde eine Ausnahme geschaffen, die einen Gehalt von max. 4 % Blei erlaubt. Diese Ausnahme wird 2021 überprüft.

Erwartungsgemäß sind bei der zuständigen EU-Kommission zahlreiche Anträge für eine erneute Verlängerung der Ausnahmeregelung eingegangen. Die Strategie einer erneuten Ausdehnung der Ausnahmeregelungen birgt jedoch Risiken. Sehr schnell könnten OEMs vor der Herausforderung stehen, ihre Elektronikbaugruppen mit großem Aufwand und Investitionen aufgrund eines endgültigen Verbots von Blei einem Re-Design unterziehen zu müssen.

RoHS: Bleifreie Zukunftsszenarios ab Juli 2021

Ein typischer Projektablauf in der Elektronikindustrie setzt sich aus etwa drei Jahren Entwicklungszeit sowie etwa sieben Jahren Produktlebenszyklus zusammen. Was passiert aber, wenn die Ausnahmeregelung 6c der RoHS-Richtlinie in diesem Jahr nicht mehr verlängert wird? Und was bringt eine erneute Verlängerung den Herstellern?

Möglichkeit 1: Nehmen wir an, die Ausnahmeregelung 6c der RoHS-Richtlinie wird im Juli 2021 nicht mehr verlängert. Es beginnt eine sogenannte Sunset-Phase, das ist eine Übergangszeit von 12 bis 18 Monaten. Spätestens Ende 2022 dürften dann neu produzierte Elektro- und Elektronikgeräte nicht mehr in den Verkehr gebracht werden.

Möglichkeit 2: Es erfolgt eine Verlängerung der Ausnahmeregelung um weitere drei bis vier Jahre. Die Hersteller hätten aus heutiger Sicht noch genügend Zeit, ihre laufenden Produkte auf bleifrei umzustellen und zu qualifizieren. Projekte, die noch auf bleihaltige Komponenten setzen, dürften mitten im Produktlebenszyklus nicht mehr verkauft werden.

Webinar zur aktuellen RoHS-Gesetzeslage

Seit der ersten Veröffentlichung der RoHS-Richtlinie im Jahr 2002 ist der Einsatz von Blei auf maximal 0,1 Gew.-% in hom*ogenen Stoffen beschränkt. Seit nunmehr 18 Jahren wird die Ausnahmeregelung bei Kupferlegierungen immer wieder verlängert.

Die Experten von Würth Elektronik ICS halten eine weitere Verlängerung, die über fünf Jahre hinausgeht, für unwahrscheinlich und empfehlen daher, die Umstellung auf bleifreie Alternativen bereits jetzt zu prüfen (Bild 1). Für Neuentwicklungen sollte grundsätzlich auf bleifreie Komponenten gesetzt werden.

Welche bleifreien Alternativen sind verfügbar?

Angesichts des früher oder später unvermeidlichen Endes der Ausnahmeregelung 6c begannen die Entwickler in Niedernhall deshalb frühzeitig, bleifreie Alternativ-Materialien für den Einsatz in Power-Elementen zu suchen.

In enger Abstimmung mit etablierten Herstellern von Vormaterialien wurden unterschiedliche bleifreie Werkstoffe hinsichtlich ihrer mechanischen und elektrischen Eigenschaften untersucht und getestet. Dabei klärten die Spezialisten beispielsweise, wie sich die Bestandteile Silizium, Mangan, Eisen, Nickel, Phosphor und Indium auf mechanische und elektrische Eigenschaften auswirken.

Bleifreies Messing: Eigenschaften und Verarbeitung

Die Wahl fiel schließlich auf bleifreie Materialien der Wieland-Werke AG. Bleifreies Messing ist ein Bestandteil des neuen Legierungsportfolios Wieland ecoline (Bild 2). Diese Legierungsgruppe ist das Ergebnis einer langen und intensiven Forschungs- und Entwicklungsarbeit zahlreicher Unternehmen aus verschiedenen Branchen.

Die Legierungen erfüllen die hohen Anforderungen an die Zerspanbarkeit und Umformbarkeit sowie die individuellen Regularien verschiedener Anwendungsbereiche. In Niedernhall setzen die Spezialisten verschiedene bleifreie Materialien von Wieland nunmehr für die Herstellung der neuen nachhaltigen Produktlinie bleifreier Power-Elemente, den LF Powerelements, ein (LF steht hier für Lead Free, deutsch bleifrei).

Meilenstein: Optimierter „bleifreier“ Bearbeitungsprozess

Nach der Auswahl der geeigneten Materialien war die Optimierung der Bearbeitungsprozesse der wichtigste Meilenstein auf dem Weg zum Portfolio der bleifreien Power-Elemente. Hierzu mussten die Produktionsparameter, wie beispielsweise Schnittgeometrien und Geschwindigkeit optimiert sowie die Wahl der Werkzeuge getroffen werden. Dies erfolgte alles unter der Maßgabe der Wirtschaftlichkeit.

Bevor die Produkte in die Serienproduktion überführt wurden, prüften die Entwickler in Niedernhall, ob die bleifreien Werkstoffe für die Verarbeitung (d.h. Einpress- und Löttechnik) und den Einsatz geeignet sind. Dazu testete man die mechanischen und elektrischen Eigenschaften montierter Kontaktelemente.

Die Qualifizierung umfasste unter anderem Untersuchungen zu Einpresskräften, Auszugskräften, Lötbarkeit, Drehmomenten und Derating sowie Umwelttests, Schliffbilduntersuchungen und Vibrationsprüfungen (Bild 3).

Das Ergebnis: Die Umstellung kann beginnen

Würth Elektronik ICS analysierte zu Beginn der Initiative „LET IT BE – LEAD-FREE“ die Anwendungsfälle, mit welchen die Ära der bleifreien Hochstromkontakt-Lösungen in einem Standardproduktportfolio eingeläutet werden sollte. Das Ergebnis sind zahlreiche Bauteilvarianten wie ein- und zweiteilige Power-Elemente, steckbare Power-Elemente oder Power-Elemente für die SMT-Bestückung, die die Marktbedürfnisse weitestgehend abdecken.

Dieses Standard-Produktportfolio, das kontinuierlich erweitert wird, ist im Onlineshop Power-Elemente erhältlich. Dort finden Interessenten auch die technischen Informationen zu den bleifreien Produkten und können kostenlose Muster anfordern. Der Hersteller unterstützt Kunden außerdem mit kundenspezifischen bleifreien Lösungen.

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* Achim Engel arbeitet im Business Development Intelligent Power & Control Systems bei Würth Elektronik ICS in Niedernhall.

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